Abbildungsfehler
Der Fußballer weiß: Es zählt nur auf dem Platz! Entsprechend muss ein
Teleskopbesitzer wissen: Es zählt nur am Himmel! Künstlicher Stern,
Ronchigramm, Interferogramm - dies alles sind Methoden, um die Qualität
einer Optik zu testen. Solange man jedoch keine Ronchigramme und
Interferogramme von seinen Augen und der Erdatmosphäre erstellt, läuft
man ein klein wenig Gefahr, sich in diesen Dingen zu verrennen. Wenn der
Strehl-Wert unseres Spiegels sich 100% nähert, dann ist er so glatt,
dass eine darauf landende Fliege sich den Hals bricht. Schön. Es ist
jedoch fraglich, ob Strehlwerte über 90% am flimmernden und wabernden
Firmament noch eine besondere Durchsetzungskraft besitzen. Ja, ich weiß,
Strehl ist nicht alles. Es gibt noch RMS und QMS und ISS... Am besten
schauen wir uns zum Testen unserer Optik einmal die Dinge an, die wir
doch angeblich so sehr lieben! Das wären demnach die Sterne, wenn ich
das richtig verstanden habe?
Also, ein zenitnaher
Stern, sagen wir, zweiter Größe sagt uns eine Menge über unser Fernrohr
aus. Im Übrigen ist ein Reflektor genauso gut wie ein Refraktor, es
kommt immer nur darauf an, wie fein die Optik hergestellt wurde. Ein
perfekter, Verzeihung, hinreichend guter Refraktor wird uns bei
100facher Vergrößerung dieses zeigen:
Links sehen wir
das intrafokal verstellte Beugungsscheibchen, rechts daneben den scharf
eingestellten Stern und rechts davon das extrafokale Beugungsscheibchen.
Ganz rechts sehen wir ein Schema der betreffenden Optik. Idealerweise
zeigt unser Fernrohr die unscharf gestellten Scheibchen mit sauberen,
konzentrischen Ringen, die nach außen hin immer schwächer werden. Der
scharf eingestellte Stern ist ein Punkt, der nach außen hin noch ein,
zwei, vielleicht drei Beugungsringe aufweist. Wenn Sie dieses Bild in
Ihrem Teleskop sehen, können Sie aufatmen: Ihr Fernrohr ist Klasse!
Schicken Sie Ihre Optik nicht zum Test; wenn sie mit einem Strehl von
83% zurück kommt, fangen Sie nur wieder an zu grübeln. Lassen Sie's
einfach.
Sollten die Ringe
nach außen hin versetzt sein, das Beugungsscheibchen jedoch im Ganzen
kreisförmig, so ist Ihr Gerät bloß dejustiert. Es wieder zu zentrieren
ist nicht schwer.
Sollte Ihr
Beugungsscheibchen krumm und verbeult sein, ist das noch kein Grund zur
Panik. Wahrscheinlich sind bloß Luftturbulenzen in der Atmosphäre und in
Ihrem Fernrohr dafür verantwortlich. Warten Sie einen ruhigeren Himmel
ab und lassen Sie Ihr Fernrohr mindestens eine Stunde draußen stehen,
bevor Sie den Test machen.
Haben Sie ein
Spiegelteleskop, wird Ihr Beugungsscheibchen sich möglicherweise so
präsentieren:
Es zeigt nämlich ein
Abbild des Fangspiegels und der Spinne, zusammen mit einer eigenen
Beugungsumrandung, welche bei dicken Spinnenbeinen heller ausfällt als
bei dünnen. Ganz feine Spinnenbeine verschwinden zur Gänze, und es ist
nur die Fangspiegelabschattung sichtbar. Der scharfgestellte Stern sieht
aus wie oben beschrieben, weist jedoch kreuzförmige Strahlenausbrüche
auf, die durch die Spinne entstehen. Bei dreiarmigen Spinnen sieht das
eher so aus:
Der Stern weist hier
sechs Strahlen auf, die etwas schwächer sind als bei einer vierarmigen
Spinne. All die bisher gezeigten Erscheinungen sind völlig in Ordnung.
Der Spiegelquerschnitt zeigt hier übrigens immer auch den Rest des
Spiegels in hellblau, also den Blick auf die verspiegelte Oberfläche bis
zum dahinter liegenden Rand.
Anders sieht's hier
aus. Der Hauptspiegel ist unterkorrigiert (siehe die gelbe Ideallinie im
Spiegelquerschnitt). Intrafokal zeigt das Beugungsscheibchen einen
hellen Ring, extrafokal ist dagegen die Mitte aufgehellt. Ist dieser
Effekt nur gering, können Sie durchaus Freude an Ihrem Teleskop haben.
Dieser Spiegel hier
ist überkorrigiert. Das Erscheinungsbild des Sterns ist dasselbe wie
beim unterkorrigierten Spiegel, nur mit vertauschten Verhältnissen im
intra- und extrafokalen Bereich. Wieder gilt: Ist der Effekt nur gering,
kann die Abbildung akzeptabel sein. Spätestens jedoch, wenn die
Beugungsringe verschwinden, ist der Spiegel unbrauchbar. Im Falle des
„abgesunkenen Randes“, eines recht häufigen Phänomens bei Teleskopen
„von der Stange“, kann das schnell so aussehen:
Egal in welchem
fokalen Bereich, der Stern ist immer nur eine Karikatur seiner selbst,
und der Spiegel gehört zurück in den Ofen. Dorthin gehört er auch, wenn
er sich wie nachfolgend verhält:
Die extra- und
intrafokalen Sternscheibchen sind elliptisch verzogen und um 90°
gegeneinander verdreht, und der scharf eingestellte Stern hat immer so
eine Art Kometenschwänzchen. Dieser Spiegel hat sozusagen zwei
Brennweiten und kann sich zwischen beiden beim besten Willen nicht
entscheiden. Das nennt man Astigmatismus, was nicht „Unpünktlichkeit“,
sondern „Punktlosigkeit“ bedeutet, da es keinen klaren Brennpunkt gibt.
Den Frust hat der Sternfreund, für den dieser Spiegel absolut
irreparabel
und
unbrauchbar
ist.
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