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Von  Anfang an astrosüchtig

Ich kann mich noch gut an einen Traum erinnern, den ich als ganz kleiner Junge hatte: Ich lief draußen auf den Wiesen unserer Wohnsiedlung herum, und überall auf dem Boden verteilt lagen untertellergroße Mondscheiben. Diese Scheiben zeigten unterschiedliche Phasen. Manche waren Sicheln, andere Halbmonde und wieder andere waren Dreiviertelmonde bis Vollmonde. Sie lagen leuchtend im Gras. Ich hatte einen Sack in einer Hand und begann die Monde aufzusammeln und in diesen Sack zu werfen. Plötzlich tauchte eine sonderbar geformte Halbmondscheibe auf. Sie hatte einen doppelbogigen Terminator in Form einer sehr schlanken „3“, deren mittlere Spitze in den unbeleuchteten Teil wies. In meiner kindlichen Phantasie gab ich dieser Phasengestalt den Namen „Dadd-Mond“.

Ich saß damals sehr oft am Fenster und schaute mir den Mond an. Wie man die einzelnen Mondphasen nennt, hatte mir mein älterer Bruder erklärt. Als ich in die Schule kam und lesen lernte, schenkten mir meine Eltern das WAS-IST-WAS-Buch „Der Mond“. Ich blätterte und las eifrig in diesem Buch. Gleich auf der ersten Seite befand sich eine Übersicht der Planeten im Größenvergleich mit der Sonne. Das war etwas völlig Neues für mich, und einmal mehr war es mein großer Bruder, der mir erklärte, was es mit den Planeten auf sich hatte. Mein Wissensdurst wuchs mittlerweile exponentiell, und so bekam ich das nächste WAS-IST-WAS-Buch „Planeten und Raumfahrt“ geschenkt.

Um 1980, als ich zehn Jahre alt war, gehörte ich zu den Kindern, die mit großer Vorliebe „Yps“ lasen. Für diejenigen, die mit „Yps“ nichts anfangen können: Das war eine Zeitschrift, die verschiedene Comics und Anregungen für Kinder beinhaltete. Das Beste an „Yps“ jedoch waren die „Gimmicks“, wahnsinnig interessante und teilweise ganz erstaunliche (aber leider nicht immer funktionierende) Geräte und Experimente zum Selberbauen bzw. Selberdurchführen. In einer Ausgabe von „Yps“ fand ich eines Tages die Ankündigung des Gimmicks der nächsten Ausgabe: „Das astronomische Teleskop“ stand dort reißerisch in großen Buchstaben – und was es alles leisten sollte! Daneben war ein farbiges Bild vom Jupiter abgedruckt. Ich war sofort Feuer und Flamme und konnte das Erscheinen des neuen „Yps“ nur schwer erwarten. Ich setzte mich täglich an meinen Schreibtisch und malte mit meinen dicken Filzstiften alles auf, was ich mit diesem Teleskop beobachten wollte. „Alles“ bedeutete damals aber lediglich „Planeten“, denn mehr kannte ich vom Weltall noch nicht. Ich malte die Planeten aus Büchern ab, mit allen Details der damals noch jungen Bilder der Viking- und Voyager-Raumsonden.

Dann war es soweit! Ich durfte mir das neue „Yps“ kaufen. Ich ging nicht vom Laden nach Hause, sondern ich rannte. Ich bekam Seitenstechen, aber das war völlig egal. Das Fernrohr musste umgehend zusammengebaut werden. Mit glühendem Eifer saß ich in meinem Zimmer und baute die Einzelteile zusammen. Sie waren natürlich aus Plastik, und zwar alle, auch die Linsen. Es waren drei Linsen, alles einfache Sammellinsen, eine große (ca. 40 mm) für das Objektiv und zwei kleine für das Okular. Es schien aber etwas zu fehlen. Warum war kein dickes Rohr dabei? Warum hatte das Objektiv überhaupt eine viereckige Fassung? Nach einigem Grübeln und Blättern stieß ich auf einen Bastelbogen aus Pappe, dessen vorgestanzte Form sich zu einem silbergrauen (und innen sogar schwarzen!) Vierkantrohr zusammenkleben ließ. Der Haupttubus war also aus Pappendeckel.

Ich erzählte meinem besten Kumpel Alex sofort, dass ich nun ein astronomisches Teleskop besaß und dass ich am Abend die Planeten beobachten wollte (Der wolkenverhangene Himmel machte mir keinen Kummer, denn schließlich hatte ich ja ein Teleskop!). Alex teilte meinen Enthusiasmus nicht – ganz im Gegenteil, er war äußerst skeptisch. Planeten beobachten? Das klang ihm nach faulem Zauber oder Betrug. Er riet mir, sobald ich einen Planeten sähe, sollte ich das Fernrohr ins Zimmer hineinschwenken. Sollte der Planet dann immer noch sichtbar sein, so wäre er höchstwahrscheinlich bloß auf die Linse aufgemalt.

Der Abend kam und ich erlebte mein erstes astronomisches Debakel. Es war das erste „First Light“ meines Lebens und es ging in die Hose. Nicht nur, dass es bewölkt war, ich hatte auch keine Ahnung wo ich einen Planeten hätte suchen sollen. Ich war davon überzeugt, dass man die Planeten mit freiem Auge nicht sehen konnte, dass sie im Teleskop aber augenblicklich sichtbar würden, wenn man es nur in den Himmel richtete. Was für ein Irrtum. Meiner Liebe zur Astronomie tat das Ereignis indes keinen Abbruch. Mir war klar, dass es nur an diesem trödeligen „Yps“-Fernrohr liegen konnte. ICH hatte ja schließlich alles richtig gemacht.

Es vergingen etwas mehr als zwei Jahre. Es war die Zeit, als die Serie „Unser Kosmos“ von Dr. Carl Sagan im ZDF ausgestrahlt wurde. Ich war ganz aus dem Häuschen: Eine Sendung über den Weltraum, mit einem echten Astronomen! Meine Bewunderung für diesen Mann kannte keine Grenzen. Ich hing wie gebannt an seinen Lippen, die leider nicht so umwerfend synchronisiert waren. Das machte aber nichts, denn ich verstand sowieso kaum etwas von dem, was Carl Sagan erzählte. Lediglich einige astronomisch interessante Fakten begriff ich. Diese stellte ich schriftlich zusammen, zeichnete Bilder dazu und fertigte mir mein eigenes Astronomiebuch in Form eines Schnellhefters an. 1983, zu meinem 14. Geburtstag, bekam ich das Buch zur Serie geschenkt. Ich begann es zu lesen, hielt auch tapfer durch, doch musste ich feststellen, dass mir der größte Teil einfach zu hoch war. Ich las es im Laufe der Jahre mehrmals, wobei ich auch mehr und mehr begriff, doch das ist eine andere Geschichte.

Zur selben Zeit entdeckte ich in den Schaufenstern meiner Heimatstadt drei Teleskope. Diesmal waren es „richtige“ Teleskope, daran konnte es keinen Zweifel geben, denn sie waren groß, mit runden Rohren, und sie glänzten! Das eine stand im Schaufenster des Fotohändlers und war ein weißer 60 mm Refraktor mit schwarzer Taukappe für 300,- DM. Die anderen beiden waren beim Optiker zu finden. Eines, das kleinere, stand im Schaufenster, und das größere stand im Verkaufsraum. Das kleinere Teleskop war ein 76 / 700 mm Newton auf azimutaler Montierung für 600,- DM, das große war ein 114 / 900 mm Newton auf der Kaufhausmontierung für sage und schreibe 1.100,- DM. Nun ja, die beiden waren ja auch von „Eschenbach Optik“. Ich verliebte mich in alle drei Röhren, besonders aber in den großen 4½-Zöller. Der sah so richtig toll wissenschaftlich aus.

Nun stellte sich die Frage: Wie komme ich heran ans Goldene Vlies, und wie komme ich vorbei am Zyklopen? Der Zyklop, in diesem Fall vieräugig und bestehend aus meinem Vater und meiner Mutter, hatte erhebliche Bedenken angesichts eines solch kostspieligen Weihnachtsgeschenks. Nach einigem Hin und Her beschlossen meine Eltern mir 300,- DM zu gewähren. Den Rest sollte ich von meinem Sparbuch nehmen und vom Taschengeld absparen.

Ich hatte damit die Wahl: Zum Ersten hätte ich den einfachen, azimutal (ohne Feineinstellungen) montierten 60 mm Refraktor mit festem Zoom-Okular als Weihnachtsgeschenk haben können. Die zweite Möglichkeit war, die 300,- DM zu nehmen, noch zwei entbehrungsreiche Monate lang zu warten und dann den 76 mm Newton zu kaufen. Drittens war da der 114 mm Newton, den ich so gern mein Eigen genannt hätte, doch ihn zu erwerben wäre mir erst Jahre später möglich gewesen. Ich entschied mich für den 76er Newton. Meine Eltern zahlten das Gerät an und ließen es zurückstellen. War das eine harte Zeit! Es war Anfang Dezember, Heiligabend war bereits jetzt gelaufen, und das Objekt der Begierde war noch so weit weg.

Am 30. Dezember 1983 geschah jedoch etwas wunderbares. Der Optiker rief meine Mutter an und bot ihr an, das Teleskop schon abzuholen, denn der Handel sei ja abgemacht. Sein bestes Argument war aber: „Warum soll der Jung’ jetzt noch so lange drauf warten?“. Welch eine Freude! Eine Stunde später stand das Gerät aufgebaut in meinem Zimmer. Nagelneu. Der Tubus war graumetallic lackiert, alle Teile des Tubus und der Montierung waren aus Metall, und das Stativ war ein solides Hartholzstativ. Vor allem blieb mir dieser interessante Geruch aus dem Inneren des Tubus in Erinnerung. Wann immer ich heute einen offenen Reflektor sehe, muss ich in den Tubus hineinschnuppern, und dann erinnere ich mich wieder daran, wie toll es war, zum ersten Mal ein eigenes Teleskop zu besitzen.

Mit zum Lieferumfang des Newtons gehörte eine kleine Einführung in die Astronomie. Dort stand, dass man die Wolken und den Roten Fleck auf Jupiter ab 100facher Vergrößerung sehen konnte. Super, dachte ich mir, mit diesem Teleskop würde ich also endlich Planeten sehen können. Sofort stellte ich mir wieder vor, Jupiter gesichtsfeldfüllend in Voyager-Qualität zu betrachten. Ich sollte noch lernen, kleinere Brötchen zu backen.

Während der ersten Beobachtungsversuche nahm ich jeden helleren Stern ins Visier, der in der Dämmerung auftauchte. Hinter jedem erhoffte ich mir einen Planeten, aber jeder Stern war nur ein leuchtendes Pünktchen im Teleskop. So konnte es nicht weitergehen. Ich musste endlich lernen mich am Himmel zurechtzufinden. Also nahm ich das Begleitbüchlein des Teleskops wieder hervor und studierte die vier Sternkarten, die den Abendhimmel  im Frühling, Sommer, Herbst und Winter zeigten. Ich versuchte die Sternbilder am Himmel wiederzufinden, doch vergeblich. Ich fand sie nicht, obwohl einige doch so markant waren.

Die folgenden Wochen wären wohl sehr demoralisierend gewesen, hätte ich nicht einige schöne Zufallsbeobachtungen erlebt. Ich beobachtete die Sonne mit dem Okularsonnenfilter bei voller Öffnung (Liebe Kinder zu Hause, das dürft Ihr nicht nachmachen!) und war begeistert von den Sonnenflecken. Ich sah den Mond mit seinen Kratern, und wenn man das zum ersten Mal im Leben sieht, ist das schon ein beeindruckendes Erlebnis. Dann kam der „Große Zufall von 1984“. Es war am 31. Januar, als ich früh morgens aus dem Fenster blickte. Weite Teile des Himmels waren bedeckt, aber im Südosten funkelte tief am Horizont ein einsamer Stern. Im Teleskop bei 116facher Vergrößerung sah dieser Stern seltsam aus - wie ein fahler winziger Dreiviertelmond. Ich konnte nichts rechtes damit anfangen und packte wieder ein, um mich für die Schule fertig zu machen. Wie mir erst viel später klar wurde, hatte ich das große Ziel endlich erreicht und es dann mit offenen Augen verpennt: Ich hatte einen Planeten beobachtet! Dass es ausgerechnet Merkur war, war ein besonderer Glückstreffer.

Sternbilder hatte ich trotz aller Bemühungen aber immer noch keine erkannt. Ende Februar, als ich einmal abends um 19:00 Uhr nach Hause kam, blieb ich vor der Haustür stehen und blickte abermals zum Himmel. In Richtung Norden fiel mir eine fast senkrecht stehende Kette aus drei Sternen auf, und darüber standen vier Sterne, die in etwa eine Rechteckform bildeten. Die gesamte Formation nahm einen beträchtlichen Teil des Himmels ein und hatte frappierende Ähnlichkeit mit dem Großen Wagen. Sollte es vielleicht wirklich der Große Wagen sein? Der konnte doch aber nicht so riesig sein! Oder war genau das der Grund für mein monatelanges Versagen, dass ich die Sternbilder am Himmel viel zu klein erwartet hatte? Ich kannte aus den Sternkarten die meisten Sternbilder bereits auswendig, und so prüfte ich meine Vermutung. Wagenkasten – fünfmal nach oben – da! Tatsächlich, da war ein Stern. Noch ein Stück weiter, jetzt im größeren Maßstab, und da war das Himmels-W! Der Schleier fiel, und mit ihm fiel Sternbild für Sternbild: Andromeda – Perseus – Fuhrmann – Zwillinge! Ich lief jubelnd über die Straße, den Blick ständig nach oben gerichtet, und suchte zwischen den Häusern den ganzen Himmel ab, bis ich die Wintersternbilder zusammen hatte. Dieser eine Moment der Erkenntnis war eine wahnsinnig tolle Erfahrung.

Das waren meine „ersten Male“mit der Muse Urania. Sie, die mich früh geküsst, sich danach aber mehr als einmal erheblich geziert hatte, blieb bis heute meine große Liebe.

     

     

 

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